(Dual-language essay 2 German) „Planetares Bewusstsein“ – was ist das? Nachruf auf Rosalie Bertell von Claudia von Werlhof

Meet Mago Contributor, Claudia von Werlhof.

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CvW Rosalie BertellRosalie stand in der Gnade dieser Liebe, und diese war buchstäblich „planetar“. Vielleicht war und ist dieses planetare Bewusstsein von ihr etwas ganz Neues, etwas Wegweisendes, das wir heute dringend brauchen. Denn es zeigt, wie nahe sie sich der Erde als Planet fühlte, den sie – ganz neu oder alt! – als großes, komplexes, mächtiges, aber auch empfindliches und verletzliches kosmisches Lebewesen ansah. „Mutter Erde“ war für Rosalies Geist und ihre Liebe weder zu groß, noch gar abstrakt, noch unbegreiflich, sondern „mütterlich“ – wenn auch nicht menschlich!

Wer kann so denken und empfinden, so un-naturwissenschaftlich, so un-christlich und so un-anthropozentrisch bzw. un-menschlich?

Als Nonne war Rosalie also nicht unbedingt „klassisch“ christlich orientiert, wenn man von dem Schweigen der Kirche zu den von Rosalie entdeckten Megaverbrechen gegen die „Schöpfung“ ausgeht. Und die Natur war ihr nahe, von der Zelle bis zum Planeten, und zwar als durchweg lebendige, sozusagen als Subjekt, sie konnte gewissermaßen mit ihr sprechen. Aber als Mystikerin im engeren Sinne würde ich sie nicht bezeichnen, eher als eine Mystikerin im weiteren, umfassenderen Sinne. Denn sie war ja immer auch wissenschaftlich orientiert, wenngleich auch wieder nicht im Sinne der modernen Naturwissenschaft, die keineswegs die Lebendigkeit der Natur anerkennt oder gar vertritt, ganz im Gegenteil, und damit kaschiert, was sie der angeblich „toten“ Materie antut. Das Ergebnis ist das, was Rosalie und wir mit ihr schließlich vorfinden: nicht nur den „Tod der Natur“, wie es Carolyn Merchant noch nannte, sondern das Resultat ihrer sukzessiven Ermordung!

Nur auf diese Weise passt paradoxerweise zusammen, was manche nicht verstehen, nämlich dass Rosalie Naturwissenschaftlerin, katholische Nonne, eine Art „Engel“ und Ökofeministin in Personalunion sein konnte.

Rosalie war verbunden mit der Liebe als der Macht, eigentlich der Magie – von „magan“, Mögen/Können -, die alles auf Erden zusammen und lebendig erhält, und die sicher die einzige wirksame Anti-Macht gegen diejenigen ist, die die Erde für ihre Zwecke vergewaltigen und bei dem Versuch, sie zu einer gehorsamen Mega-Maschine zu zähmen, aus ihr nach und nach ein „Wrack“ machen, wie Rosalie es nannte.

So hat Rosalie Bertell uns gezeigt, wo es lang geht, und dass wir uns nicht ängstlich verkriechen sollen angesichts der Mega-Dimensionen der heute real vorhandenen Probleme, sondern dass wir sie beim Schopfe packen, beim Namen nennen und öffentlich anklagen sollen! Denn alles Recht und alles Leben, die Erde selbst, sind dabei auf unserer Seite. In deren Namen, im Namen ihrer „Rechte“ und „Interessen“ sollen wir sprechen. Das ist die wahre Spiritualität, die heute angesagt ist, eine mutige, unverzagte, liebevolle und kämpferische, eine buchstäblich erd-orientierte und planetare, eine, die darin ihren Maßstab hat für das, was zu tun ist, und die nicht locker lässt…

Diese Haltung, die nicht auf das Ego schielt, sondern sich als Kanal für das Wesentliche versteht, wird heute gebraucht. Rosalie war anderem verpflichtet als sich selbst oder der „Politik“. Dadurch war es ihr auch möglich, die schmerzliche Erforschung der Verbrechen „auszuhalten“, die der Erde als Lebewesen seit Jahrzehnten widerfahren. Damit ist sie ein Vorbild für diejenigen, die sich heute mit dem Thema zu beschäftigen versuchen. Jedenfalls ist Rosalie offensichtlich nicht von der Angst erdrückt worden, die viele andere bei diesem Thema zu lähmen scheint, und die daraufhin die Vogel-Strauß-Haltung einnehmen, um sich selbst zu schützen. Rosalie hat sich nicht geschützt. Sie ist überall gewesen, wo Schreckliches geschehen war, in Tschernobyl, in Bhopal, in über 60 Ländern weltweit, und hat sich jahrzehntelang ausgesetzt: den Giften, der Radioaktivität, der Chemie. Und dabei hat sie Gutachten über die Ereignisse, ihre Ursachen und Folgen verfasst, sie vor die UNO und andere Institutionen gebracht, den Menschen vor Ort über Jahre beigestanden und den Kontakt mit ihnen gehalten.

Rosalie hatte vor dem Hintergrund ihrer Liebe keine Angst, die sie von ihrer Arbeit abgehalten hätte, obwohl, wie sie mir erzählte, als wir uns kennen lernten, mehrmals Attentate auf sie verübt wurden. Sie war anscheinend irgendwie immun durch das Wissen, das Richtige zu tun, also das, zu dem es keine Alternative gibt, und darüber hinaus vielleicht das Wichtigste, was wir heute in Angriff zu nehmen haben.

Kriegswaffe Mutter Erde – was kann es Perverseres, Absurderes, ja Undenkbareres geben!?

Die deutsche Ausgabe von Rosalie Bertell, einer heutigen Rachel Carson – die mit „Der stumme Frühling“ schon in den 60er Jahren vor der chemischen Vergiftung der Natur gewarnt hatte – ist in bloß 1 Jahr mit 5.000 Stück unter die Leute gebracht worden. Sie wurde allerdings von den Medien bis auf wenige Ausnahmen verschwiegen, und Rosalie wird wenig originell immer noch als „Verschwörungstheoretikerin“ bezeichnet, obwohl sie auf Hunderten von Seiten den schlagenden Beweis erbringt, dass es offenbar so etwas wie eine Verschwörungs-Praxis gibt, von der wir normalen Menschen nichts wissen sollen. Vielleicht sollte man langsam die Verschwörungstheorie als die in Wahrheit zutreffende erkennen und die Verschwörungstheoretiker als die besten der Zeit!

Man kann sich in Europa gar nicht vorstellen, wie begeistert, gerührt und glücklich die Menschen in Toronto waren, als sie von mir, dem „Ehrengast“, zu dem sie mich ernannt hatten, erfuhren, wie, wo und warum wir das „Planetary Movement for Mother Earth“ gegründet hatten, nämlich wegen Rosalie, und dass wir dann auch noch ihr Buch ins Deutsche übersetzt und mit so vielen Aktualisierungen veröffentlicht haben! Die Fortsetzung des Wirkens von Rosalie in Übersee, das ist es, was wir machen – und nun geht es auch nach Süden weiter, denn es gilt, die lateinamerikanische und insbesondere auch die indigene Welt zu erreichen! Nicht umsonst werden dort die „Pachamamicos“ immer mehr…

Es gibt noch so viel zu tun, bis es endlich zur „kritischen Masse“ kommt, die das bisher schläfrige Bewusstsein der meisten Menschen zum Kippen bringt, sie erkennen und fühlen lässt, dass wir uns bereits in einem Zustand jenseits der „Politik“ befinden, jenseits der Normalität und jenseits des möglichen Vertrauens in „die da oben“ und ihre neuen Technologien …

Die von esoterischer Seite viel beschworene Zeitenwende ist also bereits eingetreten, aber sie ist keine zum Besseren – es sei denn, wir lernen von Rosalie das „planetare Bewusstsein“ und ergreifen endlich die Initiative! Denn es kann ja wohl nicht sein, dass wir untätig zusehen, wie die Lebensbedingungen auf der Erde, ja womöglich diese selbst, vor unseren Augen ganz bewusst auf´s Spiel gesetzt werden!

Innsbruck, 29.12.2012

Read part 1 in German and Part 1 in English.

Bibliografie

Bertell, Rosalie: Keine unmittelbare Gefahr? Die radioaktive Verseuchung der Erde, München 1987, Goldmann (No Immediate Danger? The Future of a Radioactive Earth, London 1985, The Women´s Press)

Bertell, Rosalie: Kriegswaffe Planet Erde, Gelnhausen 2011 und 2013, J. K. Fischer (Planet Earth. The Latest Weapon of war, London 2000, The Women´s Press)

Carson, Rachel: Der stumme Frühling, München 1963,Biederstein (Rachel Carson: Silent Spring, Houghton Mifflin, 1962)

Merchant, Carolyn: Der Tod der Natur. Ökologiue, Frauen nudn neuzeitliche Nturwissenschaft, München 1987, C.H. Beck (Carolyn Merchant: The Death of Nature. Women, Ecology and the Scientific Revolution, San Francisco 1980, Harper & Row)

UN: Environmental Modification (ENMOD) Convention. Convention on the Prohibition of Military or any other Hostile Use of Environmental Modification Techniques, signed 18 May 1977, Genf

US Air Force: Col. Amzy J. House u.a.: Weather as a Force Multiplier. Owning the Weather in 2025, Washington 1996

Weltbank: „Klimawandel: Weltbank warnt vor Vier-Grad-Katastrophe“, in: Der Spiegel online, 19.11.2012

Werlhof, Claudia von: Rosalie has chganged my life. Rede beim Memorial: Remembering Rosalie Bertell, Toronto, 29.9.2012, at www.globalresearch.ca / in Birnbaum Lucia (Ed.): “Between the Words”, Berkeley 2014, forthcoming.

www.pbme-online.org: 6. Info Brief, März 2013 (6th Information Letter. March 2013)

www.sauberer-himmel.de

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